Netzersatzanlagen in der Versorgungswirtschaft

Als Netzersatzanlagen werden im übergeordneten Sinne komplette Notstromversorgungssysteme bezeichnet, die im Falle eines Netzausfalles die Stromversorgung abgegrenzter Einheiten (Versorgungs- oder Entsorgungsanlage, Behörde, IT-Infrastruktur, Firmen etc.), auch über einen längeren Zeitraum hinweg, vollständig übernehmen können. Die Notwendigkeit von Netzersatzanlagen wird oft infrage gestellt, da einerseits längerfristige Netzausfälle (zumindest bisher) kaum aufgetreten sind und andererseits die Vorhaltung der Anlagen neben Investitionskosten auch laufende Kosten für Unterhaltung und Betrieb verursachen. Für nicht mit der Materie vertraute Entscheidungsträger ist es deshalb oft sehr schwer, sachorientierte Entscheidungen zu treffen. Durch das Aufzeigen der Zusammenhänge und die Erläuterung der wichtigsten Systeme sowie mit einer Gegenüberstellung der jeweiligen Vor- und Nachteile soll eine neutrale Entscheidungshilfe zu dieser umfassenden Thematik speziell für den Bereich der Wasserversorgung und -entsorgung geschaffen werden.

Es bedarf nicht unbedingt der Lektüre des lesenswerten Buches von Marc Elsberg mit dem Titel „Blackout – Morgen ist es zu spät“, um sich die Auswirkungen eines längerfristigen Stromausfalles anschaulich-fiktiv vor den Augen abspielen zu lassen. Eher nüchtern, aber nicht weniger informativ, ist die Beschreibung der Katastrophenszenarien im Bericht an den deutschen Bundestag, welche eher lapidar zum Ergebnis kommt, dass sich ein großflächiger Netzausfall zu einer „nationalen Katastrophe“ entwickeln würde. Obwohl also die Folgen eines länger andauernden Stromausfalles äußerst komplex sind und kaum ein Lebensbereich davon nicht betroffen ist, wird die zentrale Bedeutung einer sicheren und stabilen Stromversorgung vielfach unterschätzt.
Ein Grund ist, dass die Stromversorgung in den letzten Jahrzehnten relativ zuverlässig funktionierte. Zudem herrscht die Meinung vor, dass unser Stromnetz durch die vielen dezentralen Stromerzeugungsanlagen wie Photovoltaik (PV) oder Windkraftanlagen sicherer geworden ist, da man nicht mehr nur von einem Kraftwerk abhängig ist. Bei eingehender Betrachtung handelt es sich hier aber um eine große Fehleinschätzung, da sich all die dezentralen Systeme bei einem Netzausfall aus Sicherheitsgründen (z. B. könnte es sich um eine notwendige Netzfreischaltung handeln) selbst automatisch vom Netz nehmen (müssen).
Aus dem zumindest bisher relativ stabilen Netz wird deshalb oft abgeleitet, dass eigentlich keine Gefahr besteht und es deshalb keiner besonderen Vorsorge bedarf. Aus diesem als „Verletzlichkeitsparadoxon“ bezeichneten Verhalten resultiert aber das Risiko, dass bei einer tatsächlichen längerfristigen Störung die Auswirkungen umso dramatischer sind Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Netzausfälle über längere Zeiträume hinweg mittelfristig auch unsere Versorgungsinfrastruktur betreffen können. Beispiele auf internationaler und nationaler Ebene gibt es genügend: Naturkatastrophen, Kriege, terroristische Angriffe, gezielte Sabotagen, IT-Angriffe usw. sind hierbei nur als einige wenige zu nennen. So sollte es auch in Deutschland mit einer vergleichsweise hohen Bevölkerungsdichte eine Selbstverständlichkeit sein, sich entsprechend vorzubereiten und wirkliche Vorsorge zu leisten. Ratgeber, die sich mit dem Problem beschäftigen gibt es bereits genügend. Woran es fehlt, ist die Umsetzung.

Wasserversorgung und Abwasserentsorgung

Die öffentliche Wasserversorgung zählt ebenso wie die öffentliche Abwasserentsorgung zu den kritischen Infrastrukturen. Als kritische Infrastrukturen werden Einrichtungen und Institutionen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen verstanden, deren Ausfall oder Beeinträchtigung zu nachhaltig wirkenden Versorgungsengpässen, zu erheblichen Störungen der Sicherheit oder zu anderen dramatischen Folgen führen würde.
Ein Ausfall der Stromversorgung wird in aller Regel sofort wahrgenommen und die Folgen sind sofort sichtbar. Ein Ausfall der Wasserversorgung wird - wenn man nicht gerade unter der Dusche steht - in der Regel erst verzögert wahrgenommen. Allein schon diese Tatsache reicht aus, um das Erfordernis der Wasserversorgung als nicht so wichtig zu erachten wie das der Stromversorgung. Bei genauerem Hinsehen ein großer Trugschluss: Beim Thema Wasserversorgung denken viele nur an die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser. Die Wasserversorgung leistet aber viel mehr. Stromausfall bedeutet u. a.:

  • Pumpenstillstand, das heißt, die Speicher können nicht mehr befüllt werden;
  • Druckerhöhungssysteme und Anlagen stehen still;
  • Zusammenbruch der Wasserversorgung;
  • Fäkalientransport kommt zum Erliegen;
  • Kanäle verstopfen;
  • Klärwerke kippen;
  • Löschwasserbereitstellung fehlt.

So wird z. B. in vielen Regionen das im Brandfall wichtige Löschwasser durch die Trinkwasserversorgung bereitgestellt. Ein Ausfall der Trinkwasserversorgung könnte riesige Großbrände nach sich ziehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei einem Ausfall der Stromversorgung in der kalten Jahreszeit die Menschen aus der Not heraus vermehrt auf offene Feuerstellen zurückgreifen werden (siehe auch Verletzlichkeitsparadoxon). Die Abwasserentsorgung hängt ebenfalls unmittelbar mit der Trinkwasserversorgung zusammen. Spätestens wenn die Leitungen leer sind, kommt der Fäkalientransport zum Erliegen. Die Fäkalien bleiben in den Freispiegelleitungen liegen, vorhandene Pumpwerke können ebenso nicht mehr arbeiten und verstopfen bzw. laufen über. Problematische Situationen sind beim Ausfall der Wasserversorgung auch schnell in Kliniken, Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen zu erwarten. Diese Einrichtungen verfügen zum Teil über Netzersatzanlagen für die Stromversorgung, die Wasserversorgung ist jedoch nicht abgesichert, im höchsten Falle gepuffert. Auch Nutzviehbetriebe sind auf eine sichere Wasserversorgung angewiesen. Hier wird Trinkwasser für die Viehfütterung, aber auch zur Aufrechterhaltung der Hygiene beim Melken benötigt.
In vielen Produktionsbetrieben des Handwerkes und der Industrie bricht die Produktion ohne Wasserversorgung zusammen. Stark betroffen davon sind insbesondere die Lebensmittelindustrie sowie das Lebensmittelhandwerk wie Bäcker und Metzger, welche für die Nahrungsmittelgrundversorgung eine essenzielle Rolle innehaben.
Neben dem bereits beschriebenen Ausfall der Abwasserentsorgung wird schnell eine massive Verschlechterung der hygienischen Zustände eintreten. Aufgrund der nicht mehr funktionierenden Toiletten in den Wohnungen werden die Menschen ihre Notdurft außerhalb der Gebäude verrichten. Die Körperhygiene wird ebenfalls stark darunter leiden. Der Ausbruch von Seuchen wird nur eine Frage von wenigen Tagen oder Wochen sein.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass ein länger andauernder Ausfall der Wasserversorgungsysteme zu massivsten Ver- und Entsorgungsproblemen führen kann. Der Verzicht auf eine Netzersatzanlage ist vor diesem Hintergrund äußerst fraglich, wenn nicht sogar verantwortungslos.

USV versus NEA
Im Bereich der Steuerungstechnik setzte sich die sogenannte „Unterbrechungsfreie Stromversorgung“ (USV) weitgehend durch. USV-Systeme werden aus Akkumulatoren gespeist. Ihre Aufgabe ist im Wesentlichen der Schutz sensibler technischer Systeme, wie Server, Steuerungssystemen etc., für eine kurze Zeit zum geordneten Abschalten oder als Überbrückung bis zum Zuschalten einer Netzersatzanlage.
Netzersatzanlagen (NEA) sorgen im besten Falle (stationäre Ausführung erforderlich) für ein schnelles, automatisches Zuschalten im Sekundenbereich und damit zu einer Wiederherstellung der örtlichen Stromversorgung auf der Anlage. Netzersatzanlagen sind in der Regel dieselmotorisch getriebene, vollautomatisch arbeitende Generatoranlagen. Sie können mobil oder stationär ausgeführt werden. Mobile Anlagen müssen manuell zugeschaltet werden, wozu auch eine entsprechende Einspeisestelle mit Umschalteinrichtung erforderlich ist.

Planung einer NEA
Bei der Planung einer NEA sind zunächst alle Aspekte der Vulnerabilität (Verwundbarkeit, Verletzbarkeit) des Systems mit der Resilienz (Widerstandsfähigkeit) des Systems gegeneinander abzuwägen. Manuell zu bedienende örtliche Schaltmöglichkeiten für Pumpen, Druckerhöhungsanlagen und Ventile sollten deshalb immer vorgehalten werden. Ferner sind im ersten Schritt alle für den Notbetrieb erforderlichen Aufgaben festzulegen, welche auch die Basis sich dieses Argument nicht mehr. So kann die Anlage in regelmäßigen Abständen autark die Stromversorgung übernehmen. Motor und Generator bekommen Betriebsstunden und laufen ein, der Treibstoff wird regelmäßig erneuert.<br/> Ein Wasserversorgungssystem mit Hochbehältern oder Wassertürmen, welche zumindest temporär über den geodätischen Druck versorgen können, ist anders zu bewerten als reine Tiefbehälter mit nach- geschalteten Druckerhöhungsanlagen. Wasserversorgungsverbünde sind ebenfalls jeweils einzeln zu prüfen. Ein Verbund zur gegenseitigen Notfallversorgung erfordert auch beidseitige NEA-Systeme. Das Volumen eines Trinkwasserbehälters orientiert sich in der Regel am Tagesverbrauch. Das heißt, dass Hochbehälter zumindest im Stundenbereich eine Versorgung aufrechterhalten können. Eine mehrtägige Versorgung ist aber auch hier nicht gewährleistet. Wasserversorgungssysteme sind heute oft mittels IT-Infrastruktur vernetzt und werden mittels übergeordneter Prozessleittechnik gesteuert. Ein übergeordneter Stromausfall bringt auch diese Systeme zum Erliegen. Manuelle und einfach zu bedienende örtliche Schaltmöglichkeiten für Pumpen, Druckerhöhungsanlagen und Ventile sollten deshalb immer vorgehalten werden. Ferner sind im ersten Schritt alle für den Notbetrieb erforderlichen Aufgaben festzulegen, welche auch die Basis für die Leistungsermittlung des Notbetriebes bilden. Komforteinschränkungen können hier durchaus mit in Betracht gezogen werden, personelle Verfügbarkeiten sind ebenfalls zu berücksichtigen.
Eine immer wieder heftig diskutierte Frage ist die Menge des vorzuhaltenden Treibstoffvorrates. Aus Sicht des Verfassers insbesondere vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten Problematik eigentlich unverständlich, denn die Treibstoffnachschubsicherung ist ebenfalls zu beachten. Auch diese ist im Falle eines großflächigen Stromausfalles mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr gewährleistet. Spätestens dann stellt sich die Frage nach dem Sinn der ganzen Netzersatzanlage. Ein ebenfalls immer gerne benutztes Argument ist die Treibstoffalterung.
Durch einfache Einbeziehung der Anlage in den Regelbetrieb (Anlage muss für Netzparallelbetrieb geeignet sein), stellt sich dieses Argument nicht mehr. So kann die Anlage in regelmäßigen Abständen autark die Stromversorgung übernehmen. Motor und Generator bekommen Betriebsstunden und laufen ein, der Treibstoff wird regelmäßig erneuert. Bei Brunnenanlagen mitten im Wasserschutzgebiet muss die Netzersatzanlage übrigens nicht zwingend im oder beim Brunnenhaus angeordnet werden.
Eine extern liegende Trafostation oder Stromübergabestation kann ebenfalls als Standort einer NEA in Betracht gezogen werden. Dies kann auch aus Gründen des Hochwasser- und Überflutungsschutzes erforderlich werden, und zwar bei allen Wasserversorgungssystemen wie Brunnen, Aufbereitungsanlagen, Speichern und Druckerhöhungsanlagen. Bei überflutungssicheren Ausführungen sollten Schaltanlagen im Zweifelsfall am höchsten Punkt im Gebäude aufgestellt werden.

Besonderheiten bei einer NEA
Im Gegensatz zum öffentlichen Verbundnetz können beim Generatorbetrieb bei Belastungsänderungen deutlich höhere Spannungs- und Frequenzschwankungen auftreten. Ein Lastsprung kann zu einem Spannungs- und einem Frequenzeinbruch auf der Verbraucherseite führen. Ein Lastabwurf kann eine Frequenz- und eine Spannungserhöhung zur Folge haben. Häufiges Schalten großer Aggregate sollte deshalb bereits bei der Planung durch entsprechende Leistungsabstufungen vermieden werden. Als Kurzschluss-Schutz sind herkömmliche Schutzeinrichtungen wie Sicherungen oder Leistungsschalter nur bedingt geeignet bzw. müssen entsprechend angepasst werden.
Zunehmend werden heutzutage Frequenzumformer (FU) für den Betrieb von Pumpen herangezogen. Blindströme belasten die Aggregate zusätzlich und müssen bei der Generatorauslegung berücksichtigt oder durch aktive oder passive Filter reduziert werden. Für den Notbetrieb kann die Anlage gegebenenfalls aber auch ohne Frequenzumformer betrieben werden. Auch dies ist bereits bei der Anlagenplanung zu berücksichtigen, da in einem solchen Fall andere Motoren vorzusehen sind. Ein Anlagenbetrieb mit einer Netzersatzanlage ist demzufolge bereits im frühen Planungsstadium zu berücksichtigen.
Grundsätzlich müssen beim Einsatz von Aggregaten die Vorschriften für Wasserschutzgebiete sowie die DIN-VDE-Normen zwingend beachtet werden. Der Lieferant des Aggregates ist auf den speziellen Einsatzzweck hinzuweisen.

Mobil oder stationär
Hauptpumpwerke, Druckerhöhungsanlagen und alle Anlagen mit zentraler Bedeutung sowie hohem Leistungsbedarf müssen mit einem stationären, bei Netzausfall automatisch anlaufenden Generator ausgerüstet werden. Nur so kann ein steter und sofort verfügbarer Einsatz gewährleistet werden.
Stationäre Aggregate haben ferner den Vorteil, dass diese Anlagen in räumlich abgesicherten Einheiten sicher und unbemannt bzw. vollautomatisch betrieben werden können. Diesem Vorteil kommt insbesondere im Katastrophenfall eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, denn das normale Betriebspersonal ist in solchen Situationen hohem Stress sowie enormen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt.
Für den mobilen Einsatz können Notstromaggregate mit 1-Achs-, Tandem- oder 2-Achsfahrgestellen zum Einsatz kommen. Solche Generatoren können an unterschiedlichen Stellen eingesetzt werden. Allerdings erfordern diese Generatoren einen hohen Überwachungsaufwand und sind nur dort statthaft, wo nur stundenweiser Betrieb erforderlich ist. Der Aufwand für die Betreuung, die Betankung und das Umsetzen darf hier nicht unterschätzt werden. Ferner ist eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung, gegebenenfalls sogar mit bewaffnetem Personal, erforderlich. Spätestens dann, wenn ein Betrieb über mehrere Tage oder Wochen und an unterschiedlichen Standorten aufrechterhalten werden soll, werden die Grenzen dieser Lösungen aufgezeigt; vom ungesicherten Treibstoffvorrat ganz abgesehen.
Exoten unter den mobilen Lösungen stellen die Zapfwellengeneratoren dar, welche nur als absolute Notlösung bei kleinen Versorgungen angesehen werden können. Zapfwellenaggregate haben nur die Tankfüllung des Traktors als Reserve. Ein Zapfwellengenerator darf ohne ständige personelle Überwachung/Aufsicht nicht betrieben werden. Zu beachten ist, dass ein Traktor die volle Motorleistung an der Zapfwelle nicht dauerhaft abgeben kann. Bei Nichtbeachtung können schwere Getriebeschäden verursacht werden. Überschlägig können folgende Auslegungskriterien für ein Zapfwellenaggregat herangezogen werden:
P erf x 2 = P min Generator x 2 = P min Traktor
Bei einer Verbrauchsleistung von 20 kW entspräche die erforderliche Generatorleistung 40 kW und die Traktorleistung mindestens 80 kW. Eine elektronische Drehzahlregelung der Zapfwelle an der Antriebsmaschine wird empfohlen, bei FU-Betrieb ist diese zwingend erforderlich. Blindströme sind bei der Dimensionierung jedes Aggregates zu berücksichtigen. Bei Zapfwellenaggregaten ist ein längerer Probebetrieb zwingend erforderlich. Ein Zapfwellengenerator kann nicht als vollwertige Netzersatzanlage angesehen werden.